Treib- & Hütehunde

Traditionelle Aufgaben und moderne Herausforderungen

Seit Hunderten von Jahren unterstützen Hunde den Menschen bei seiner Arbeit. Treib- und Hütehunde sind wahre Spezialisten: Sie halten die Herden zusammen und sorgen dafür, dass das Vieh sicher von einer Weide zur nächsten gelangt. Doch wie wurden aus Wachhunden unentbehrliche Helfer beim Hüten? Was zeichnet diese Hunde aus und welche Herausforderungen bringt ihre Haltung mit sich?

Wie und warum haben sich Treib- und Hütehunde entwickelt?

Seit Beginn ihrer Domestizierung wurden Schafe von Hirt:innen beim Grasen bewacht, auf frische Weideflächen gebracht und vor Raubtieren geschützt.

Im Laufe der Jahrhunderte begannen Hunde, bei dieser Arbeit zu helfen. Früher hatten Hunde eher eine Wächterrolle, doch schliesslich wurden aktivere Hütehunde gezüchtet, die eine direktere Rolle bei der Kontrolle der Bewegungen und Platzierung der Herde spielten. In einigen Regionen wurde weiterhin ein grösserer Wachhund zusammen mit einem kleineren, aktiveren Hütehund eingesetzt.

Welche historischen Rollen spielten diese Hundearten in verschiedenen Kulturen?

Im Osten kennt man bis heute nur Herdenschutzhunde, welche die Herde begleiten.

Alle anderen Hütehunde waren und sind die rechte Hand des Hirten. Je nach Region hatten sie unterschiedliche Aufgaben.

Was sind die spezifischen physischen und charakterlichen Merkmale von Treib- und Hütehunden? Welche Fähigkeiten machen sie besonders geeignet für ihre Aufgaben?

Treib- und Hütehunde sind sehr ausdauernd. Wenn eine Herde von A nach B gebracht werden muss, legen die Hunde jeweils ein Mehrfaches der Strecke zurück. Sie sind gute Beobachter und denken mit, müssen sie doch die Herde unter Kontrolle halten.

Treib- und Hütehunde besitzen auch eine hohe Konzentrationsfähigkeit, denn Viehumtriebe werden je nach Land nicht selten über Distanzen von 5 bis 20 km gemacht. Vor allem die Treibhunde müssen unerschrocken sein, müssen sie doch auch Kühen klarmachen, wo es lang geht.

Beliebte Rassen und deren Einsatzgebiete: Welche Rassen zählen zu den Treib- und Hütehunden? Für welche spezifischen Aufgaben werden sie eingesetzt, und in welchen Regionen der Welt sind sie besonders verbreitet?

Zu den Treibhunden gehören alle Rassen, die zusammen mit dem oft reitenden Hirten hinter der Herde gehen und das Vieh (vor allem Rinder und Kühe) vor sich hertreiben: Cattle Dogs, Appenzeller Sennenhunde, Corgis, usw., aber auch der Australian Shepherd wurde und wird oft als Rindertreiber in Amerika eingesetzt.

Hütehunde werden in zwei Kategorien unterteilt: Jene, die «mit Auge» arbeiten (Vieh anstarren und anschleichen) und jene, die «ohne Auge» arbeiten (mit viel Bewegung, Körpereinsatz oder auch bellen). Zu den «mit Auge» arbeitenden Rassen zählt beispielsweise der Border Collie. Der Australian Kelpie hingegen arbeitet «ohne Auge». Bei allen anderen Hütehunderassen hängt ihr Arbeitsstil von der Region ab, in der sie eingesetzt wurden. Der Deutsche Schäferhund beispielsweise muss schauen, dass die Herde von ca. 600 Schafen auf der für sie vorgesehen Wiese frisst und nicht ins Maisfeld nebenan geht. Das kann er nur, indem er ständig die imaginäre Grenze des Feldes abläuft und so wie ein mobiler Zaun die Schafe auf der vorbestimmten Fläche hält. Man nennt diese Hunde auch Furchenläufer. Dazu gehört z.B. auch der Beauceron.

Die Hunde, die in den Bergen arbeiten, brauchen keine Furche zu laufen, müssen aber die Herde wieder zusammenholen, wenn sie sich zu weit entfernt. Grundsätzlich kennt man das Hüten mit Hund – wenn also der Hund hilft, die Herde zu bewegen – nur im Westen. Im Osten werden die Hunde zur Abwehr vor Wölfen und Bären genutzt.

In der Schweiz werden seit der Rückkehr des Wolfes ja ebenfalls sogenannte Herdenschutzhunde eingesetzt, um Vieh vor Wolfsangriffen zu schützen. Wie erledigen die Hunde diese Aufgabe?

Herdenschutzhunde sind es gewohnt, ohne den Menschen zu arbeiten. Sie leben permanent in der Viehherde und verteidigt diese gegen Angriffe. Da er von Geburt an bei den Schafen lebt, ist seine Bindung sehr eng, was zentral ist für seine Aufgabe. Die Bindung zum Menschen hingegen beschränkt sich auf ein Minimum – was wiederum bei Begegnungen mit Wanderern oder Bikerinnen eine Herausforderung sein kann.

Wie sollen Menschen sich verhalten, wenn sie auf eine von Herdenschutzhunden bewachte Viehherde treffen?

Wichtig ist, ruhig zu bleiben und langsam zu gehen. Wer mit dem Bike unterwegs ist, steigt ab und schiebt das Velo. Es soll eine möglichst grosse Distanz zur Herde gehalten werden. Die Verhaltenstipps finden sich im Detail hier.

Welche Rassen werden in der Schweiz eingesetzt?

In der Schweiz werden vor allem der Chien de Montagne des Pyrénées und der Cane da Pastore Maremmano Abruzzese eingesetzt.

Zurück zu den Treib- und Hütehunden: Wie werden diese in der Schweiz heute normalerweise eingesetzt?

Das kommt ganz auf das Einsatzgebiet an. Bei grossen Herden wie den Winterwanderherden mit rund 1000 Schafen werden oft «Hütehunde ohne Auge» (auch Mixe) eingesetzt, weil sie dem Druck einer grossen Herde gut standhalten können. Auf den Bauernhöfen mit Rindern resp. Kühen sieht man oft den «Bläss» (oft sind es aber mittlerweile keine reinrassigen Appenzeller Sennenhunde mehr).

Der Border Collie ist der am meisten eingesetzte Hund an Schafen in der Schweiz.

Welche Herausforderungen können bei der Haltung von Treib- und Hütehunden auftreten, insbesondere in Bezug auf ihr Verhalten und ihre Bedürfnisse?

Immer wieder hört man, dass diese Hunde ausgelastet werden müssen, da es Arbeitsrassen seien. Also beginnt man bereits im Welpenalter, diese Hunde zu beschäftigen. Irgendwann fordern sie es dann auch ein und der Besitzer kommt nicht mehr hinterher. Es sind Arbeitsrassen und sie können arbeiten – das muss man ihnen nicht noch beibringen. Was sie lernen müssen, ist, Ruhe und Langeweile auszuhalten.

Treib- und Hütehunderassen sind oft Kontrollfreaks. Viele dieser Rassen neigen auch schon im Welpen- resp. Junghundealter dazu, ihre Besitzer:innen  in die Beine zu kneifen, um sie zu massregeln.

Sie können auch passionierte Jäger sein, denn das Hüten ist nichts anderes als ein umgelenkter Jagdtrieb. Passionierte Hüter können durchaus auch den Zug, Fahrradfahrer, Vögel, Kinder, Mofas, Autos etc. «hüten». Auch ein Jogger wird genaugenommen nicht gejagt, weil der Hund oft neben oder sogar vor ihm herrennt – für den Jogger macht dies allerdings keinen Unterschied.

Wie hat sich die Rolle der Treib- und Hütehunde in der modernen Gesellschaft verändert? Werden sie heute noch in traditionellen Rollen eingesetzt oder haben sie neue Aufgabenbereiche gefunden?

Viele Treib- und Hütehunde werden heute als Familienhunde mit sportlichen Aufgaben gehalten (Border Collies und Shelties im Agility, Malinois und Deutsche Schäferhunde in VPG, IPO oder Mondioring, usw.). Dennoch: Es gibt sie noch, die Hirten, welche mit ihren Hunden im Sommer auf der Alp sind oder im Winter mit einer grossen Herde durchs Land ziehen.

Immer mehr Treib- und Hütehundebesitzer:innen möchten ihren Hund durch seine ursprüngliche Aufgabe auslasten und betreiben das Schafehüten als Sport an Wettkämpfen. Für Besitzer:innen von Border Collies bieten sich viele Trainingsmöglichkeiten. Hier gilt es allerdings zu beachten, dass die Schafe nicht als Trainingsobjekte missbraucht werden, sondern ihr Wohl auch in den Trainings an erster Stelle steht.

Können Treib- und Hütehunde auch in einer Wohnung in der Stadt gehalten werden, oder kann eine solche Haltung ihnen niemals gerecht werden?

Hüte- und Treibhunde wollen in erster Linie mit ihrem «Hirten» den Tag verbringen und mit ihm etwas erleben. Wer zu 100% arbeitet und der Hund in dieser Zeit alleine in der Wohnung ist, der kauft sich lieber einen Plüschhund, denn das ist nicht fair gegenüber dem Hund – und zwar unabhängig von der Rasse!

Wer einen Hüte- oder Treibhund hat und mit ihm einmal am Tag an der Leine um den Block oder durch den Stadtpark spaziert, wird dem Hund auch nicht gerecht. Wer aber das Bellen erzieherisch unter Kontrolle kriegt und dem Hund das bietet, was er braucht, dann steht der Hundehaltung auch in einer Stadtwohnung nichts im Weg.